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Therapie als ästhetisch-mimetischer Prozess

Eckhard Schiffer, Quakenbrück
Referat am 4.5.2002 in Oldenburg
Kongress: Die Entwicklung der Psychotherapie: Auf dem Weg zu einem integrativen Modell?

Das auf den Sublimierungsaspekt verkürzte Freudsche Konzept intrinsisch motivierter Kreativität bestimmt auch heute noch (- ergänzt um einige kognitions-psychologische Aspekte -) die Diskussion innerhalb des analytischen Lagers - wie z.B. die Beiträge von Stroczan und Moser in der Psyche vom Januar 2000 deutlich werden lassen. Und dies trotz Balint und Winnicott! Beide, Balint und Winnicott, haben das aufgegriffen, was schon Aristoteles im Unterschied zu Platon wußte - nämlich daß schöpferische Aktivität als "mimesis" nicht nur Nachahmung, Kopie meint, sondern Darstellung des Wesentlichen, das zur Selbst- und Welterkenntnis und damit zu Selbst- und Weltvertrauen führen kann.
Auffällig ist auch, daß in der Beschreibung von Therapieprozessen seitens der primär tiefenpsychologisch bzw. analytisch ausgerichteten Therapeuten auch heute noch kaum ein Interesse deutlich wird, ein integratives Konzept bezüglich des Einsatzes schöpferischer und leiborientierter Verfahren im Kontext einer tiefenpsychologisch orientierten Therapie vorzulegen, obschon in allen stationären Einrichtungen mit analytischer Grundorientierung verbale und nicht-verbale Verfahren zusammen im Rahmen einer stationären Therapie realisiert werden .

In einer kritischen Glosse verspottet Anna Elisabeth Landis in der Psyche vom Mai 2002 den von ihr so bezeichneten Methodenmix des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin: Ihre Befürchtung ist die, daß der Patient von der Verwirrung durch den Methodenmix mehr Schaden davontrage, als durch die Einheitlichkeit - sprich Monokultur -des Gesprächssetting.
Nun ist nach meinem Dafürhalten gerade die Balintsche Theorie der Grundstörung geeignet, dieser möglichen Verwirrung durch den Methodenmix in angemessener Form zu begegnen.
Balints Beschreibung der Grundstörung ergibt sich aus seinem Narzißmuskonzept, das unter dem Begriff "harmonische Verschränkung" der kindlichen Wahrnehmung bezüglich des Erlebens seiner selbst und seiner Umwelt bekannt geworden ist.
Der intrauterine Urzustand der harmonischen Verschränkung des Kindes mit dem Fruchtwasser wird postpartal auf einige Primärobjekte verschoben, die sich situativ in ihrer eigenen Motivationslage mit der Bedürftigkeit des Kindes so harmonisch verschränken können, wie zum Beispiel in dem Stillakt, der zugleich der Motivationslage des Kindes und der Mutter gerecht wird. Es ist dann eine Frage der weiteren Objektbeziehungsgeschichte, wie weit hierüber die harmonische Verschränkung für das Kind partiell noch weiter ermöglicht wird, indem die Objekte sich in ihrer Motivation und ihrem Handeln mit dem Kind synchronisieren oder nicht. Für eine gelungene Synchronisation im späteren Lebensalter ein kleines Beispiel, das in seinen Grundzügen von Martin Dornes (1993) stammt:
Der kleine Lukas, 13 Monate alt, sitzt in seinem Stühlchen gemeinsam mit den Eltern am Frühstückstisch und ist offensichtlich an dem Löffel interessiert, mit dem der Vater das Frühstücksei aufgeklopft hat. Der Vater nimmt intuitiv das Interesse seines Sohnes wahr und schiebt beiläufig den Löffel in seine Nähe, so daß der Lukas den Löffel greifen kann. Lukas klopft dann mit zunehmender Freude auf den Frühstückstisch, strahlt über das ganze Gesicht, ist ganz aufgeregt darüber, was für schöne Geräusche er nun produzieren kann. Die Eltern freuen sich mit, der Vater ergreift wiederum intuitiv einen anderen Löffel und klopft mit diesem - keinesfalls lauter - sachte auf seinen Tellerrand. Lukas stutzt, lacht und klopft seinerseits nun heftig auf seinen - schon leeren - Plastikteller.
In der Interaktion zwischen Vater und Sohn - die ein feinfühlig-intuitives Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögen des Vaters bezüglich der Darstellung seines Sohnes erfordert - entfaltet sich ein intrinsisch motiviertes, schöpferische Moment der Welterfahrung. Die Handlungsentwürfe und Handlungsweisen von Vater und Sohn sind auf der Ebene der Motivation, der Eigen- und Fremddarstellung sowie der Eigen- und Fremdwahrnehmung harmonisch miteinander verschränkt. Fehlte dem Vater grundsätzlich in der Wahrnehmung der Darstellungsweise des Sohnes die Einsicht, das es besser ist, die eigene Improvisation, das heißt die Eigendarstellung leise darzubieten, um den Sohn nicht zu übertönen, resultierte dann auf Dauer das, was bei Balint (1970), Grundstörung oder bei Winnicott (1974/1985) das falsche Selbst heißt.
Wesentlich ist für eine gelingende weitere Entwicklung des Kindes, daß in dem späteren Prozeß der Desillusionierung, in dem das Kind gewissermaßen aus der harmonischen Verschränkung herausgleitet und der intuitiv gesteuerten Hilfestellung der Eltern immer weniger bedarf, sich eben dieses Kind vermöge seiner eigenen Fähigkeiten - der "skills" - in seiner Welt zu organisieren weiß.
Die Folgen einer mißlingenden Desillusionierung, innerhalb derer die elterliche Hilfe zu rasch oder zu zögerlich gegenüber der zunehmenden kindlichen Kompetenz zurückgenommen wird, führen zu der Grundstörung. Die Grundstörung meint eine erhebliche Störung der Objektbeziehungen, die zu einem Anklammern oder polar dazu zu einem Vermeiden von Objektbegegnungen führen kann, bzw. zu einer Überbetonung der eigenen Autonomie und Perfektionierung von Skills. Balint hat hierfür die Begriffe Oknophilie bzw. Philobatismus geprägt, die inhaltlich eine große Nähe zu den Bindungsstörungen im Sinne der ambivalent unsicheren bzw. vermeidend unsicheren Bindung aufweisen. Die Ebene der Grundstörung zeigt sich spätestens in einem regressiven Prozeß innerhalb der analytischen Therapie, demaskiert sich über die verschiedensten Beziehungsstörungen im Kontext der therapeutischen Begegnung:
"gewöhnliche Worte, die bis dahin eine feststehende, konventionelle, "erwachsene" Bedeutung besaßen und ohne weiteres benützt werden konnten, (werden) plötzlich unendlich bedeutungsschwanger und schwerwiegend im guten oder schlechten Sinne. In solchen Perioden kann jede kleinste Bemerkung, jede Geste oder Bewegung des Analytikers etwas zu bedeuten haben, das weit über alles hinausgeht, was er im realistischen Sinne beabsichtigt haben mochte." (Balint, 1970, S. 28)
Balint weist eindringlich daraufhin, daß es in dieser Regression nicht darum gehe, Tröstungsbedürfnisse des Patienten zu befriedigen, sondern das Ziel dieser Regression sei das Bedürfnis des Patienten, erkannt zu werden: Es geht dabei um die "Anerkennung der Existenz dieses seines Innenlebens und seiner unverwechselbaren Individualität." (Balint 1970, S. 176 - 177). Diese Hoffnung, erkannt zu werden, bezieht sich zunächst darauf, wie seinerzeit in der harmonischen Verschränkung mit den Primärobjekten sich in seinen Bedürfnissen und später auch in seinen Fähigkeiten wahrgenommen zu wissen. Dieser Prozeß, der zu dem Erkanntwerden des Patienten führt, ist mit Worten allein nicht zu bewerkstelligen, sondern setzt ein zusätzliches " etwas mehr zu tun" (Balint 1970) voraus. Für Balint ist es in der Erwachsenentherapie dann auch vorwiegend die Aufgabe des Therapeuten, dies mit Gesten entlang der eingeschränkten verbalen Wahrnehmungs- und Eigendarstellungsfähigkeit des Patienten vermöge einer besonderen Wahrnehmungsfähigkeit, eher schon Wahrnehmungskunst, zu bewerkstelligen. In der Kindertherapie hingegen konzediert Balint auch, daß die Kinder sich in ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten über Materialien wie Wasser, Sand und Plastilin darstellen, die harmonische Verschränkung aktiv mit gestalten können.
Längst wissen wir aus dem klinischen Alltag, daß diese Komplementarität von Darstellung und Wahrnehmung über das schöpferische Gestalten auch in der Therapie von Erwachsenen möglich ist:
Agnes erscheint vom ersten Eindruck her wie versteinert. Sie hat seit langer Zeit einen Diabetes mellitus. Über die Krankheit weiß sie fast alles. Sie mißt und beobachtet ihren Körper, kontrolliert und traktiert ihn exakt entlang medizinischer Anweisungen. Trotzdem gerät ihre Stoffwechsellage immer wieder durcheinander.
Was mir in der Therapie zu schaffen machte, war die große Distanz, die einen tragenden Kontakt über lange Zeit erschwerte, und auch dirigistische Impulse in mir aktivierte. Was mich hingegen ermutigte, waren sehr engagierte und auch lebendige Kontakte, die Agnes - selbst ledig und kinderlos - zu sozial benachteiligten Kindern unterhielt.
Vor diesem Hintergrund tasteten wir uns an ihre eigene " Spiel-Vorgeschichte" heran. Und die war erschütternd.
So ist Agnes z.B. mit ungefähr fünf Jahren bei einem herrlichen Spielen mit Matsch und Laub - "wir kochten Mittagessen" - beauftragt worden, auf eine ältere Dame im Hause aufzupassen. Diese war offensichtlich verwirrt, lief während des Spielens der Kinder weg und brachte sich um. Und Agnes bekam die Schuld: "Wenn Du nicht so viel gespielt hättest, wäre das nicht passiert!"
Für Agnes gab es kein Lob, nur wohlgemeinte Ermahnungen, alles besser zu machen.
Diese Beziehungserlebnisse führten zu einem Rückzug aus der Welt der Objekte, die sich Agnes irgendwann mal nur noch kalt und unfreundlich zeigten
In ihrer Eigendarstellung präsentierte sich Agnes als unangreifbar und in meiner Wahrnehmung als nicht greifbar: "Unterzuckerungen habe ich auch, wenn ich mich an meine Diät halte", war ihr beliebtester Satz. Mir fiel nur mein Physiklehrer ein, dem trotz korrekten Aufbaues der Versuchsanordung das physikalische Experiment nicht gelingen wollte. Mit meinen Versuchen, ihr mit Tips in ihrer Lebens- und Zuckerstoffwechselregulierung zu helfen, erwies ich mich als Versager. Meine Wahrnehmung von Agnes änderte sich erst, dann aber grundlegend, als sie in ihrer Eigendarstellung eher beiläufig von ihren Spielnachmittagen mit Kindern aus Aussiedler- und Asylbewerberfamilien erzählte. Das war zu Beginn des dritten stationären Behandlungsversuches. In diesem Kontext riskierte ich es noch einmal, Agnes vorzuschlagen, ein Selbstbildnis aus Ton anzufertigen. Bislang hatte Agnes dies kategorisch abgelehnt. Dieses Mal zeigte sie sich aber zögernd einverstanden.
In der Eigendarstellung präsentierte sie dann ein zehnjähriges Mädchen mit Ball. Ich habe Ihnen heute diese Eigendarstellung mitgebracht und möchte Sie bitten, auf Ihre Außen- und Innenwahrnehmung zu achten. Vielleicht geht es Ihnen so wie mir, daß Sie bei der Außenwahrnehmung dieser Darstellung gleichzeitig innerlich eine tiefe Traurigkeit wahrnehmen - denn Sie sehen doch weniger das Antlitz eines spielenden Kindes sonders das einer sterbenden Greisin.
Ich teilte meine Innenwahrnehmung, nämlich diese Traurigkeit, im Sinne einer selektiven Expressivität oder auch selektiven Eigendarstellung meiner Innenwahrnehmung Agnes mit. Woraufhin sie allerdings kaum eine Reaktion zeigte.
Dann geschah aber etwas Aufregendes. Sie erschien zur nächsten Sitzung mit einem alten Klassenfoto. Und auf dem hatte sie genau den gleichen traurigen Gesichtsausdruck, den ihre Tonfigur wiedergab. " Ich habe gesucht, aber kein Foto gefunden, auf dem ich lache. Da haben mich nur traurige Gesichter angesehen. Das ist mir früher gar nicht so aufgefallen". Dann blätterte sie in einem Heft und über ihr Gesicht ging ein Strahlen, das ich bei ihr noch nie gesehen hatte. "Sehen Sie" - und sie verwies auf ein anderes Foto - "hier haben wir gespielt. Und mir ist auf einmal durch den Kopf gegangen, was ich alles gerne gemocht habe, was ich gespürt und gefühlt hatte". Und Agnes ließ strahlend entlang ihrer Stichworte, die sie auf einem Zettel mitgebracht hatte, ganz viel lebendig werden: den Kuhstall und Melkgeruch, frisch gebackenes Brot, im Juli morgens in der Erde jäten, Tannenzapfen suchen, Bratäpfel, Kartoffelfeuer, Holzhacken, barfuß draußen nach dem Gewitterregen laufen, Spielen im Sand, Sandberge, Duft der Pfifferlinge im Herbst, getrocknetes Holz im Backofen,
Abendhimmel im Dezember, der erste Schnee und vieles mehr....
Agnes war aus ihrer Todesstarre erwacht.
Dies gelang ihr über ihre schöpferische Eigendarstellung, deren Wahrnehmung durch mich wiederum zu einer erweiterten Eigenwahrnehmung bei Agnes führte, sie dann auch das darstellen und wahrnehmen ließen, was zu ihr gehörte, bislang aber ihr selbst verborgen war.
Wahrnehmung (im Griechischen: "aisthesis") und "aisthesis techne", die Kunst der Wahrnehmung - im Deutschen: Ästhetik - korrespondieren im aristotelischen Denken mit der "mimesis", die nicht nur Nachahmung sondern auch Darstellung meint. Dieses Verständnis von mimesis wird u.a. von Gadamer (1986), Picht (1987) und Bruner (1997) geteilt. Durch die Darstellung (mimesis) kommt es nun in der Therapie nicht nur zur Welt- und Selbsterkenntnis mit Hilfe des Therapeuten sondern auch durch den Patienten selbst, obschon es manchmal durchaus Aufgabe des Therapeuten sein kann, hier nachzuhelfen.
Wahrnehmung meint als Gesamtwahrnehmung ein Oszilieren zwischen Außenwahrnehmung und Innenwahrnehmung. Zu der Außenwahrnehmung gesellt sich jeweils assoziativ die Innenwahrnehmung. (die Innenwahrnehmung wird aus der sogenannten objektiven Betrachtungsweise des Naturwissenschaftlers ausgeklammert). In der Innenwahrnehmung ist aber unsere gesamte affektu-sensomotorische Erfahrung aufbewahrt. Die Innenwahrnehmung bereichert die Außenwahrnehmung, kann aber auch abgewehrt und in ihren negativen Aspekten auf die Objekte der Außenwahrnehmung projeziert werden.
Die Chance einer schöpferischen Darstellung ist auch die, daß im Unterschied zum flüchtigen Wort in der verbalen Darstellung ein längeres Verweilen daran möglich ist, so daß darin bislang Verborgenes, aber dennoch Wesenhaftes beim Betrachten allmählich deutlich wird, sich entbirgt. Die "Vertrautheit mit der Welt", die in der Begegnung mit dem Wesenhaften in der schöpferischen Darstellung sich entfaltet (so Gadamer), ist immer da zu spüren, wo sich schöpferischer Eigensinn zeigen darf. Diese Vertrautheit mit der Welt, die dabei entsteht, ähnelt in verblüffend vielen Aspekten dem Kohärenzgefühl als Grundlage von Gesundheit. So ist die Chance zur Eigendarstellung im therapeutischen Prozeß auch als eine wesentliche salutogenetische Ressource zu begreifen. Zugleich wird darüber etwas freigesetzt, was in unserer gewinnorientierten, realkapitalistischen Weltsicht immer seltener wird: eine intrinsische Motivation.
Und wenn auch Balintarbeit von den bildhaften Aspekten der verbalen Darstellung und Wahrnehmung lebt so erscheint es nicht als verwunderlich, daß es gerade die Balintarbeit sein kann, die das große Heer der Ärzte, Therapeuten und Helfer ermutigt, weiter zu machen und nicht zu resignieren.
Auch der ausschließlich wortgebundene therapeutische Prozeß - als eine Form von Darstellung und Wahrnehmung - kann unter den Begriffen "mimesis" und "aisthesis" subsumiert werden. Dies umso besser, je mehr sprachlich-bildhafte Elemente darin enthalten sind.
Demnach können sowohl das schöpferische Handeln wie auch der verbale Prozeß in einen therapietheoretischen Rahmen gestellt werden, ohne daß zu eklektizistischen Brüchen kommt.
Der Vorteil schöpferischen Handelns besteht zudem darin, daß vorödipale Objektbeziehungsprozesse darüber abgebildet werden können, zugleich aber auch eine maligne Regression im Sinne einer zunehmend passiven - ausschließlich an Triebbefriedigung orientierten - Haltung des Patienten verhindert werden kann. Die Aktivierung von Skills im therapeutischen Prozeß, die Lust an der eigenen Gestaltung fördert eine intrinsische Motivationslage, die sich für den gesamten Therapieprozeß als produktiv erweisen kann.
Soweit so gut. Aber: Schöpferische und leiborientierte Therapieverfahren haben entlang der Dogmen von Meyer und Grawe (angeführt nach Petersen 1998) keine Leitliniendignität. Dies im Unterschied zu kognitiv-behavioralen Verfahren und im begrenzten Umfange zur analytisch orientierten Kurztherapie. (Petersen 1998; Schmidt, persönliche Mitteilung 2002).
Von daher gilt es, deutlich werden zu lasen, daß im therapeutischen Prozeß kognitiv-verbale Verfahren eine Sonderform in dem interaktionellen Geschehen von Eigendarstellung und Wahrnehmung abgeben. Diese Sonderformen dürfen aber wegen ihrer besseren Operationalisierbarkeit nicht zum Ausschluß anderer Formen von Darstellung und Wahrnehmung führen. Dies käme einem voraufklärerischen Denkverbot gleich. Es geht also auch darum, die Ergänzungsfähigkeit und - bedürftigkeit der verschiedenen Darstellungs- und Wahrnehmungsformen im therapeutischen Prozeß zu verdeutlichen. Wenn Grawe (angeführt nach Petersen) meint, daß es in der Psychotherapie nichts mehr zu entdecken, sondern nur noch korrekt auszuführen gibt, dann übersieht er, daß die Spielregeln, nach denen sich das Subjekt mit seinen Objektbeziehungen im soziokulturellen Kontext entwirft, eben auch einem soziokulturellen Wandel unterliegen und nicht die Konstanz naturwissenschaftlicher Gesetze aufweisen.
Auch dies gilt es aufmerksam wahrzunehmen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Therapie als ästhetisch-mimetischer Prozeß
(Ergebnis)
Eckhard Schiffer, Quakenbrück, 2002

Wahrnehmung (aisthesis): Innen- und Außenwahrnehmung

Darstellung (mimesis): als Verdeutlichung des Wesentlichen,
führt zur Selbst- und Welterkenntnis
sowie zu Selbst- und Weltvertrauen


· Die verbale therapeutische Interaktion stellt (nur) eine Sonderform des ästhetisch-mimetischen Therapieprozesses dar.

· Auf der Ebene der Grundstörung (Balint) bedarf diese Sonderform einer sinnvollen Ergänzung durch handlungsorientierte schöpferische Darstellung, (- auch wenn diese für Leitlinienwürdigkeit nicht ohne Weiteres zu operationalisieren ist -) da die sprachliche Interaktion allein auf dieser Ebene nicht ausreicht.

· Leiborientierte und schöpferische Darstellungsformen fördern als "skills" auf der Ebene der Grundstörung die intrinsische Motivationslage oft mehr als allein die sprachliche Darstellung.

Literaturverzeichnis

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